Chamonix I – you sexy little thing you
Chamonix… Ein Ort, der mir im Gedächtnis geblieben ist, seit ich vor einigen Jahren in Neuseeland auf einem Vortrag von Barry Blanchard war. Damals kaum Touren- und Klettererfahrung. Mit großen Ohren, wie Kinder die ein Märchen erzählt bekommen, und noch größeren Augen habe ich seine Bilder bewundert. Über einen kleinen Ort in den französischen Alpen. Hypnotisiert, war ich, von den Fotos. Sie zeigten unbeschreiblich große Bergen an deren Flanken sich eisblaue Gletscher ins Tal winden und Berggrade durchsetzt von spitzen Granitnadeln. Was wäre, wenn… was wäre, wenn ich gut genug wäre, um dort eines Tages klettern zu gehen.
Einladung
Auf Facebook erscheint das Symbol, dass ich eine neue Nachricht erhalten habe. Sie ist von Black Crows Skis an alle Ambassadors. Es findet das jährliche Black Crows presents Chamonix Unlimited Festival statt: Skitest, jede Menge DJ’s und Parties. Wer von uns kommen möchte, ist herzlichst eingeladen. Mein Herzschlag wurde schneller… Chamonix. FREAKING CHAMONIX!
Lets do this!
Es ist zwanzig vor acht, um zehn vor holt mich Gabi, der in Chamonix lebt und Guide ist, ab. Ich sitze auf der Bank vor dem Chalet. Neben mir meine Schi und ein zum bersten voller (= sehr schwerer) Rucksack. Mein Herz schlägt ein bisschen zu schnell. Gabi hat mir ein Bild und eine Routenbeschreibung geschickt, die mit einem pinken Totenkopf beschrieben ist. Die Wolken hängen tief. Die Berge, von denen ich schon so lange geträumt habe, verstecken sich. Was zum Henker habe ich mir dabei gedacht? Einfach nach Chamonix zu fahren und 50°Grad steilen Rinnen zu fahren?! Mein Herzschlag legt noch einen Gang zu. Im Kopf gehe ich noch einmal durch, ob ich auch wirklich alles gepackt habe: Schaufel, Sonde, Pieps, Klettergurt, Karabiner, Schlingen, Abseilgerät, Wasser, Eisgerät… In diesem Moment fährt ein großer orangefarbener Jeep vor, ein Mann mit großem Grinsen steigt aus und begrüßt mich mit: „Good morning! Lets do this!“
Plan B – La Vallée Blanche, meine Chamonix Entjungferung
Mit geschlossenen Augen bezahle ich das Liftticket… Chamonix, du tust meinem Konto sehr, sehr weh. Mittlerweile hat sich auch der Rest der Crew eingefunden. Ich kenne niemanden, aber alle haben dieses breite Grinsen im Gesicht und spitzbübische Funkeln in den Augen. Es geht los! Mit der ersten Gondel geht es bis zur Plan de l’Aiguille auf 2.310m und mitten ins graue Wolkenmeer. Mit der zweiten Gondel geht es dann auf 3.842m. Mein Herz droht fast zu explodieren, als wir aus dem schwarz des Wolkenmeers, der steilen Wand der Aiguille du Midi hinaufschweben. Gipfel so hoch und schroff, dass mir der Atem stockt, Gletscher in den schönsten blau Schattierungen und weiße unberührte Rinnen so steil, dass sie unbefahrbar scheinen, blaues Eis windet sich Richtung Tal. Das muss ein Traum sein! Unterirdisch geht es hinaus auf die Brücke. Sie gibt den Blick auf die mit den pinken Totenkopf beschriebene Rinne frei. Die Jungs entscheiden, dass es zu kalt und somit zu eisig ist. La Vallée Blanche (Plan B), der Klassiker schlechthin, wird mich Chamonix entjungfern.
Sprachlos
Technisch anspruchsvoll ist die Abfahrt nicht, aber unbeschreiblich schön. Man fährt den Gletscher hinunter neben riesigen Gletscherspalten und türkisen Eisformationen. Links und rechts säumen Gipfel so hoch, dass jeder Helikopter, kaum größer als eine Fliege erscheint. Der Kopf fällt tief in den Nacken, während meine Augen einen Weg auf den Gipfel suchen. Entlang von Rissen im Granit, vorbei an Eisfällen über den Gletscher, durch das Eis bis zum höchsten Punkt. Ist es möglich? Ist es wirklich möglich solch einen Berg zu erklimmen? Und wenn dem so ist, welche Route ist möglich? Wie lange braucht man? Wie verrückt muss man sein? Ich muss da rauf!
Nur ein Traum
Es geht weiter, immer dem Gletscher entlang. Über 350 Stufen geht es hinauf zur Kleinkabinenbahn hinauf zum Zug. Das Wolkenmeer schließt sich hinter mir. Der Blick auf die Berge ist mir schon wieder verwehrt. War das nur ein Traum? In vierzig Minuten fährt der nächste Zug. Wir plaudern, lachen und essen. Mein Blick wandert aber immer wieder zum Wolkenmeer. Nur einen Blick bevor es wieder ins Tal geht. Einen einzigen Blick. Ein Sonnenstrahl, ein Zweiter, ein Dritter... sie brennen Löcher in das dichte Weiß. Der Blick ist in Worte fast nicht zu fassen. Das Vallée Blanche liegt vor mir, gesäumt von riesigen Gipfeln und Wolken, die sich sanft um den Fuß der Berge schmiegen. Das ist nur ein Traum... ein Gemälde... ich und Chamonix – das kann nur eine heiße Geschichte werden!