Der Lugauer und der Gipfelapfel
Freelance für
Schüchterne Steiermark
Die Steiermark präsentiert sich von ihrer schüchternen Seite am 19.Februar 2016. Die Wolken hängen tief und berühren fast den Talboden, der starke Wind lässt die Regentropfen aus allen Himmelsrichtungen fallen. Die Landschaft ist von monotonem Grau geprägt. Das Wetter spiegelt sich in den angespannten und besorgten Gesichtern der Gewinner des Hyphen Bergzeit Alpin Camps wieder. Projekt Lugauer steht momentan auf wackeligen Beinen.
Christophorus 14 – die Sonne geht auf
Aus der grauen Kälte geht’s hinein in den Hangar und da steht sie. Mitten im Raum. Groß, knallgelb und blitz blank poliert: Christophorus 14, nicht die vom Filmset, sondern die Echte. Wir werden aufs Herzlichste von Heimo Stangl (Flugretter), Andreas Wimmer (Pilot) und Andreas Schreilechner (Hyphen) begrüßt. Zuerst noch schüchtern hören wir Heimo zu. In aller Ruhe und im Detail erklärt er uns die Rettungsausrüstung an Board des Helikopters, wie man was wo einsetzt. Persönlich wird es, als Heimo und Andi uns erklären, dass das Wichtigste für sie ist, gesund zu ihren Familien am Abend zurückkehren. Was bei diesem Job nicht immer klar ist. Das gelingt nur, wenn Pilot und Flugretter sich blind verstehen. Dies setzt enormes Feingefühl füreinander und untereinander voraus. Die Stunden verstreichen, geduldig beantworten die beiden die vielen, vielen Fragen, die wir haben. Die Zeit wird weit überschritten, kurzerhand aber höflich werden wir vor die Tür gesetzt. Verständlich nach einem schwierigen Einsatz und dem Verlangen endlich zu den Liebsten nach Hause zu gehen. Für einen kurzen Augenblick ist es still in der Gruppe, während wir im dunklen Sturm uns auf den Weg zu den Autos machen. Mir fällt etwas auf, was sich im Laufe des Wochenendes noch einige Male zeigen wird, kompromisslose Hingabe und Leidenschaft für jede Tätigkeit im Leben.
Christian Stangl – der Guide mit Aktenkoffer
Im Hotel begrüßt uns Christian Stangl, lebende Legende und unglaublich guter Witze Erzähler: international bekannter Skyrunner, K2 Bezwinger, erster Mensch, der die drei höchsten Berge aller Kontinente bezwang, um nur einige Infos zu nennen. Mit festem Händedruck werden wir einzeln begrüßt und sollen Platz nehmen. Die erste Runde Bier lockert die Stimmung. Christian sitzt am Kopfende des Tisches, klackend öffnet er den Aktenkoffer und nimmt einige Fotografien heraus. Er hält sie hoch und mit großen Augen folgen wir der roten Linie auf dem Bild, die durch den Wald im Ennstal bis auf den schneeweißen Gipfel des Lugauers im Nationalpark Gesäuse führt. In aller Ruhe erklärt er uns die Skitour im Detail auch, dass das Wetter bis ca. 13Uhr auf unserer Seite sein wird. Die Vorfreude und Nervosität steigt spürbar am Tisch. Denn jetzt ist klar, obwohl das Wetter momentan ekelhaft ist, wird die Skitour morgen stattfinden!
Hyphen und nachhaltige Weihnachten
Nachdem alle Fragen zur Tour, Ausrüstung und Wetter geklärt sind, geht’s ans Geschenke auspacken. Andreas Schreilechner von Hyphen, ein leidenschaftlicher Bergfreak und begnadeter Tüftler, überreicht jedem von uns die Hyphen Lugauer Hose und Hypen Stüdlgrat Weste. Jedes Detail der Bekleidung ist genau durchdacht, denn der Anspruch, den Andreas an sich und seine Produkte stellt, ist Perfektion. Oder um es in seine Worte zu fassen: „Du ziagst es o und woast es.“ Und Recht hat er! Von der Passform bis hin zur Produktion (100% made in Europe in einer eigenen Schneiderei in Kroatien) und den verwendeten Stoffen (PVC frei und zu 95% abbaubar) – umweltfreundliche und nachhaltige Perfektion.
Der Lugauer – das steirische Matterhorn
Um 7:15Uhr geht’s los. Entlang des kurvenreichen Johnsbach und einer ebenso kurvenreichen Straße fahren wir immer tiefer in das Gesäuse (Umgangsprachlich: Gseiss). Das morgendliche Zwielicht weicht dem blauen Himmel. Scheu beäugt jeder die Ausrüstung des anderen, während die Felle auf die mehr oder weniger breiten Schi aufgezogen werden. Es geht los! Rund 20km und ca. 2.100 Höhenmeter gilt es zu bewältigen. Zuerst noch ein wilder bunter Haufen ordnen wir uns, einer Schlange gleich, und laufen im Takt von Christian Stangl durch tief verschneite Wälder. Das steirische Matterhorn ist noch etwas schüchtern. Erst als mehrere Hundert Höhenmeter bezwungen worden sind und wir auf dem Hüpflingerhals eine Trink- und Abfellpause einlegen, sehen wir zum ersten Mal den Lugauer Plan: ein großes weißes weites steiles Face – der nicht jugendfreie Traum eines Freeriders.
Relativität
Zuerst aber fahren wir ab. Christian Stangl erlaubt uns freie Linewahl durch den Wald. Eine bunte Schar bahnt sich ihren Weg mit großen Schwüngen über kleine Pillows. Traumhaft! Über die Hüpflinger Alm geht es direkt unter die Lugauerplan. Erst jetzt wird uns bewusst, wie groß und wunderschön der Lugauer ist. Matterhorn, du bist zwar eindrucksvoll, aber der Lugauer hat ein traumhaftes Face zum Abfahren. Laut Guide, der die größten Oberschenkel hat, die ich je gesehen habe, sei es nicht mehr weit bis zum Gipfel. Naja, der Blick auf den Gipfel lässt meinen Kopf in den Nacken fallen. „Nicht mehr weit“ erscheint mir im diesem Augenblick sehr relativ, vor allem, wenn es ein Mann sagt, der die höchsten Gipfel der Welt erklommen hat.
Ohne Schweiß, kein Preis
Die Schneise im Wald unter der Lugauer Plan bringt uns dem Gipfel immer näher. Der Schweiß fließt in Strömen und die Neigung wird immer steiler. Die Hyphen Ausrüstung hält, was sie verspricht! Die Lüftung und das Schöller Material (man hat mir gesagt besser als Gore-Tex) funktioniert phänomenal gut und nichts klebt schweisgetränkt am Körper oder zwickt unangenehm. Die Augen sind stur auf das Ziel gerichtet, dem Gipfel. (Zugegebener maßen auch hin und wieder nach unten auf das große fast unverspurte Face.) Der Blick über den Berghorizont zum Dachstein kündigt den Wetterwechsel an. Dunkle Wolken bahnen sich ihren Weg über die Gipfel in unsere Richtung, der Wind wird stärker und das Tempo wird zügiger.
Steirische Spezialitäten: Gipfelsturm, Gipfelschnaps und Gipfelapfel
Im steilen Gipfelhang schaufelt Christian Stangl jedem von uns eine Schneestufe, die uns das ausziehen der Schi erheblich erleichtert, Luxus pur. Fest umklammert, damit der Wind sie uns nicht davonreißt, werden sie im Schidepot zwischengelagert. Die letzten 20Minuten gehen wir am Grad des Lugauer zum Gipfel. Links und Rechts geht es steil bergab in den Frühling, während der Wind uns die Schneekristalle um die Ohren pfeift. Schritt, für Schritt geht es gen Gipfel und Sturm. Am höchsten Punkt angekommen gibt es zuerst ein herzliches „Berg Heil“ mit dazugehöriger Umarmung und Gipfelschnaps. Wir lernen auch die Tradition des „Gipfelapfels“ kennen (gehört zur obligatorischen Gipfeljause). Der Gipfelsturm vertreibt uns und es geht zurück zum Skidepot und unserer Belohnung.
Lugauerplan – die Belohnung
Die Ski sind innerhalb von Sekunden an den Füßen! Jeder will zuerst den Hang zerflügen!
Unter uns breiten sich mehrere hundert genau richtig steile Höhenmeter feinstes weißes Gold aus. Die ersten Schwünge sind noch etwas verhalten, aber sie werden schnell größer, fast so schnell wie das breite Grinsen, dass jeder im Gesicht trägt.
Der Küblwirt – Elektrolyte tanken
Komplett überdreht geht es zum Küblwirt. Es wird ausgiebig gegessen, gelacht und viel zu viel getrunken, aber nach seiner Tour müssen Elektrolyte getankt werden! Der nächste Morgen ist grau und trüb. Daran Schuld war definitiv nicht die letzte Runde Schnaps, die der Wirt ausgegeben hat. Der Abschied fällt schwer, aber das Wetter erleichtert ihn.
Lugauer – eine Klasse für sich
Lugauer, ein Berg, der oft mit dem Matterhorn verglichen wird, aber den Vergleich nicht nötig hat. Der die Menschen inspiriert und Leidenschaft schürt, die höchsten Gipfel der Welt zu stürmen (mit Gipfelapfel) und Skitourenbekleidung zu entwerfen, die diesem Berg gerecht wird. Was für ein Wochenende... Aus tiefstem Herzen DANKE an euch Heimo, Andi, Christian & Christian, aber auch an die sagenhaft lustige Crew Susanne, Marlene, Thomas, Basti und Florian!